Ketzerisches über Tristan und Isolde

 

Dass Schmerz und Schwelgen gut zusammenpassen können, wird jedem sofort klar, der sich einmal auf Wagners Tristan und Isolde eingelassen hat.

Wenn man das verstanden hat, dann versteht man auch, dass diese Musik, wie schon andere angemerkt, keine echte Entwicklung hat und haben kann. Dieser Tatbestand, sollte man ihn akzeptiert haben, führt unweigerlich in schwierigstes Gelände. Denn hier geschieht etwas auf wunderbarste Weise, was jeder kennt, und gleichzeitig sträuben sich einem die Haare angesichts der Verweigerung der Entwicklung. Natürlich denke ich hier auch an persönlich-psychologische Entwicklung.
Tristan und Isolde ist ein Minenfeld an möglichen Ketzereien, wenn man sich angstfrei genug darauf einlassen kann, und jeder freie Gedanke angesichts dieser Ehebruchs- und Adolezenzgeschichte bedroht einen sofort mit Hohn, Abscheu, Angriff und Verdammung. Dennoch, da geschieht etwas in dieser Oper, das einem in verschiedenster Weise so unter die Haut geht, dass man einige Zeit braucht, bis man hier wieder etwas solideren Boden unter den Füssen findet.
Natürlich spielt das Leben dieses Schicksal täglich und überall und ohne geringste Abweichung. Das könnte einen dazu verleiten, einverstanden zu sein, dass es hier keine Alternative zum Tod gibt, vor allem nicht zum Liebestod. Diese Leidenschaft kann und darf nicht geändert, bearbeitet oder aufgegeben werden.
Natürlich ist das auch richtig so, denn in ihr findet man eine Lebenskraft und Begeisterung, ohne die unsere Leben wie Totgeburten wären. Wer nicht mit dieser Leidenschaft geboren wurde, oder wer sie nie erlebt hat, der weiss nicht, was wirklich lebendig-sein bedeutet. Dennoch, und vielleicht gerade deswegen, wird dem, der in dieser Leidenschaft erfahren ist und sie am eigenen Leibe erlebt hat, falls er wirklich auch älter wird, nicht entgehen, dass es “dabei so nicht bleiben kann”; dass es sonst zu Katastrophen kommt und dass einem da etwas fehlt, wenn die Jahre fortschreiten und die Lebenserfahrung zu erweitert.