Sheharazad

 

 

Schuberts Sheharazade: Sonate 960

 

Schubert schrieb diese letzte Sonate kurz vor seinem Tod. Es ist nicht anzunehmen, daß er sich dessen bewußte war. Dennoch handelt diese letzte Sonate von nichts anderem als vom Tod und wie von ihm ein letzter Aufschub zu erlangen wäre.

Es ist der Bass-Triller am Ende der ersten Phrase, der einen gleich am Anfang aus allen Träumen reißt und einem die “enge Perspektive” aufzwingt. Der Rest besteht aus den wundervollen Einfällen, mit denen die andere Stimme in dieser Sonate sich immer wieder weiteren Aufschub ersingt, erspielt, und sich dann am Ende über sie erhebt, im Wissen, daß ihr sowieso nicht zu entkommen ist.

Es geht hier nicht um Programm-Musik und diese “enge Perspektive” des Todes zwängt einem kein einfältiges Bild auf, in dem der unendliche Einfallsreichtum dieser Sonate und ihre unerhörte Freiheit angesichts von Endgültigkeit und Unvermeidbarkeit verloren gehen könnte. Im Gegenteil. Es ist das einfältige und unmeliodiöse Grummeln im Baß, das sich nicht mit der daraus sich erhebenden Schönheit der Sonate messen kann, auch wenn es am Ende “Recht hat”.

Jedes erneute Anhören dieser Sonate überzeugt mich nur noch mehr, daß der Tod mit seiner unmelodiösen Baßdrohung dem Rest der Sonate erst seine überwältigende Schönheit gibt und einem die Tür zu einem Zuhören öffnet, in dem man in schierer Bewunderung diesem Argument gegen den Tod folgen kann. Hört man das wirklich, dann stellt sich etwas ein, was ich nur als Trost empfinden kann. Wenn der Schubert das so hingekriegt hat, dann besteht Trost und man sollte sich auf diesen einlassen, wenn man sich der Erfahrung von Endlichkeit und Endgültigkeit stellen will und muß.

 

(Keiner hat, meiner Meinung nach, diese Sonate schöner gespielt als Wilhelm Kempf – Deutsche Grammophon.)