Schicksale der Liebe und Liebesfähigkeit

 

Ich gehe einmal davon aus, dass Liebe fürs Leben und Hass aufs Leben zu den ursprünglichsten Anfängen unserer Erfahrungen gehören. (Gegen einen solchen “einfachen” Satz könnte man unendlich viele Einwände vorbringen, die mich aber daran hindern würden, mit dem weiterzumachen, was mir am Herzen liegt.)

Es geht mir hier vor allem darum, verschiedene Wege der Liebeserfahrung zu beschreiben, wie sie mir mittlerweile einleuchtend vor Augen schweben.
Was geliebt wird, und oft enorm leidenschaftlich, ist sowohl das Leben selbst, wie Personen, die mit diesem Leben verbunden sind, wie Interessen und Gegenstände aller Art. Ich beschränke mich hier auf Personen, oder noch besser gesagt, auf die eine Person, die einem die einzige und höchst liebenswerte Person am Anfang unseres Lebens ist. Nennen wir sie einfach einmal “Mutter” und gehen wir einfach mal davon aus, dass “Mutter” die allererste Bezugsperson ist und dass diese allererste Bezugsperson als so “gut” erfahren wird, dass man ihr alle Liebe schenkt, zu der man fähig ist. (Das setzt voraus, dass Liebesfähigkeit vorhanden und entfaltbar ist.)

Es ist mir der Gedanke gekommen, der eigentlich auf einem tiefen Gefühl und einer wiederholten Erfahrung beruht, dass Liebe und Liebesfähigkeit “abgezogen” werden und neu verteilt werden können.
Eine gängige Vorstellung geht davon aus, dass Liebe, die nicht beim Objekt bleibt, narzisstisch sein muss, das heisst, aufs eigene Selbst gelenkt wird. Das ist sicher korrekt, aber wohl auch nicht die ganze Wahrheit. Ich denke mittlerweile, dass es sehr verschiedene Formen gibt, mit dieser “abgezogenen” Liebe umzugehen. Ich gehe dabei davon aus, dass diese Formen davon abhängen, wie die ursprünglichste Anziehung der Liebe erfolgt ist. (Sie ist universell und gehört zu den zentralen Aufgaben frühester psychischer Arbeit und Bearbeitung.)
Die ursprünglichste Liebe ist totalitär, ausschliesslich und potentiell “für immer”. Dass die Wirklichkeit dem entgegensteht, beschreibt den nächsten, wohl schwierigsten, Schritt hin zur psychischen Entwicklung und Identitätsbildung.
Dass das ursprünglichste Liebesobjekt aufgegeben werden muss, dass es mit totalitären Vorstellung und Hoffnungen ausgestattet ist, die es anzuerkennen und durchzuarbeiten gilt,